Gebieter meines Herzens by Karen Ranney

Gebieter meines Herzens by Karen Ranney

Autor:Karen Ranney [Ranney, Karen]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426420379
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2013-11-23T23:00:00+00:00


Rory schnarchte. Das Geräusch deutete auf einen tiefen Schlaf hin. Offenbar war der Junge völlig erschöpft gewesen.

James lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, auf dem Rücken und starrte an die Decke. So müde, wie er war, hätte er eigentlich leicht einschlafen müssen. Stattdessen sah er Riona vor sich, wie sie ihm vorhin in der Bibliothek begegnet war. Kurz angebunden, beinahe unhöflich, so gar nicht wie die Frau, als die er sie kannte.

Je näher ihre Hochzeit rückte, umso mehr schien sie sich zu verändern. Es war beinahe, als bereitete sie sich darauf vor, der Schatten der Frau zu werden, die er zu bewundern gelernt hatte. Sie lachte nur noch selten, ihre Bemerkungen verrieten Gereiztheit. Das unbefangene Landkind war verschwunden, an seinen Platz war eine der wohlerzogenen, jungen Damen getreten, wie sie in der Großstadt lebten. Eine baldige Ehefrau.

Dieses Wissen drückte ihn nieder wie ein auf seinen Schultern liegender Anker.

Er setzte sich auf die Kante seines Bettes und schaute zu Rory hinüber. Der Junge schnarchte noch immer, doch das war es nicht, was James dazu trieb, sich anzuziehen. Auf See hatte er schon unter bedeutend widrigeren Umständen geschlafen.

Leise schloss er die Tür hinter sich und ging hinunter in die Bibliothek. Sein Ziel war der Schreibtisch. Nachdem er mit seiner Kerze die Kerzen in dem eisernen Leuchter angezündet hatte, schloss er die Vorhänge, schlug sein Tagebuch auf und begann zu schreiben.

Das Schreiben half ihm, sich zu entspannen, klärte seinen Kopf.

Manchmal möchte ich sie fragen, was sie denkt, oder einfach nur dasitzen und ihr beim Lachen zuhören. Manchmal beim Abendessen nimmt sie mich gefangen, und ich sehe nur noch sie. Von allen Frauen, die ich je kennengelernt habe, hat keine mein Herz oder meinen Verstand angesprochen, wie sie es tut. Sie macht mich lächeln oder über Themen nachdenken, an die ich früher nie einen Gedanken verschwendet habe.

Bei Tisch schaut sie kaum einmal in meine Richtung, aber meine Augen wandern immer wieder wie magisch angezogen zu ihr. Tagsüber halte ich Ausschau nach ihr und finde sie dann ganz in einer Aufgabe aufgehend. Sogar dieser flüchtige Anblick genügt, um meine Stunden zu erhellen.

Ein Geräusch veranlasste ihn, den Blick zu heben. Riona stand in der Tür.

Einen Moment lang starrten sie einander schweigend an. Er freute sich unsagbar, sie zu sehen, aber gleichzeitig war ihm bewusst, wie unziemlich es war, hier mit ihr allein zu sein, umso mehr, als sie nur ein dünnes Nachthemd und ein Negligé darüber trug. Aus dem Zopf gelöstes Haar ringelte sich um ihr Gesicht. Ihr Haar war wie ihre wahre Natur – nicht gänzlich zu bändigen, beinahe wild.

Sie griff sich an die Kehle.

»Ich konnte nicht schlafen«, sagte sie schließlich.

»Ich auch nicht.«

»Verzeiht mir meine Worte von vorhin. Ich wollte das nicht sagen.«

»Doch, das wolltet Ihr«, entgegnete er, wider Willen amüsiert. Zerknirschung passte nicht zu ihr. »Was mich interessiert, ist, warum Ihr es gesagt habt.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Rory hat da so eine Bemerkung gemacht. Ich hätte nichts darauf geben sollen. Jedenfalls bin ich froh, dass ich jetzt die Gelegenheit hatte, mich bei Euch zu entschuldigen.



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